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07.04.2022
Unterwegs | Reviere

Westschwedische Schären: Im Irrgarten der Inseln

Vor der schwedischen Westküste erstreckt sich ein Labyrinth aus Inseln, Felsen und Steinen. Auf den fast 90 Seemeilen zwischen Göteborg im Süden und der norwegischen Grenze nahe Strömstad im Norden liegen mehr als 8.000 von der letzten Eiszeit rundgeschliffene Schären. Einige dieser Inseln und Inselchen sind nur ein paar Quadratmeter groß, andere dagegen viele Quadratkilometer – insgesamt reicht dieser riesige Schärengarten von der Festlandsküste bis zu 20 Seemeilen ins Meer hinaus. Ein einmaliges Revier, das fast durchgehend gut vor der offenen See und den überwiegend auflandigen westlichen Winden geschützt ist. Ideal für Segler und Motorbootfahrer.

Insel Väderö, westschwedische Schären

Ankommen: die Location

Rund um die vielen großen, kleinen und winzigen Hafenanlagen stehen die typischen rot-weiß gestrichenen Holzhäuser und Bootsschuppen, über die Holzstege flitzen Kinder mit frisch gefangenen Krabben in der Hand und auf den Terrassen der Hafenrestaurants servieren strahlend blondhaarige Bedienungen frisch gezapftes Carlsberg. Die Tage sind lang, erst weit nach dem Dessert malt die Sonne ihr purpurrotes Feuerwerk in den Himmel – Bullerbü pur!

Auch draußen in den Naturhäfen ist die Idylle perfekt: Hier sind die Yachten mit ihrem Bug direkt an einer Schäre vertäut und auf dem Felstableau davor wird frischer Lachs auf glühende Grills gelegt. Und selbst um Mitternacht beim letzten Rotwein spenden die von der Sonne aufgeheizten Felsen noch immer wohlige Wärme.

Das spannendste an den Schwedischen Westschären aber bleibt die Zeit auf dem Wasser: Tausende Tonnen, Leuchtfeuer, Markierungen und Fahrwasser weisen den sicheren Weg durch das Labyrinth, immer wieder geht es auch messerscharf an Felswänden und schmalen Durchfahrten vorbei.

Losfahren: die Herausforderung

Innerhalb des Schärengartens passiert ständig etwas Neues, nur im Zickzack-Kurs geht es an den vielen Inseln, Untiefen und Gefahrenstellen vorbei zum nächsten Etappenziel. Die Segler zupfen durch die vielen Kurswechsel ständig an ihren Schoten, und auf jedem Boot wird die immer gleiche Frage gestellt: Welche Insel und welche Tonne haben wir hier eigentlich gerade querab?

 

Segler vor der Insel Hyppeln

Aber keine Sorge: Wer sich an Fahrwasser und Tonnenwege hält, die Karte studiert und einen Plotter oder ein Tablet zur Unterstützung hat, bei dem verwandeln sich die Sorgenfalten auf der Stirn schnell in ein breites und zufriedenes Lächeln. Zumal hier im Revier auch niemand auf Strömungen oder Tidenhub Rücksicht nehmen muss, ein Knoten Strom an Engstellen oder 30 Zentimeter Tidenunterschied spielen für die Törn- und Tagesplanung keine Rolle.

Wer möchte, kann für seine Etappe immer auch den freien Seeraum von Kattegat und Skagerak nutzen, sichere Zufahrten zum Schärengarten gibt es reichlich. Einfach toll ist aber die Gewissheit, sein nächstes Ziel auch bei viel Wind immer geschützt und ganz ohne Seegang im Schutz der Inseln erreichen zu können.

Die eigentliche Herausforderung in der Navigation besteht in der Übertragung des zweidimensionalen Kartenbilds auf die dreidimensionale Realität. Viele der Steinhaufen sehen einfach gleich aus, ständig verbergen sich in dem Schären-Wirrwarr die gesuchten Tonnen, Durchfahrten und Inseln. Zum Glück aber helfen die vielen Seezeichen, Steinbaken und auf die Felsen gemalten Markierungen bei der Orientierung, denn eines sollte man wissen: Einfach nur stumpf nach Plotter fahren ist spätestens dann keine gute Idee mehr, wenn an Eng- oder Einzelgefahrenstellen schon die leichten GPS-Abweichungen für einen Crash ausreichen.

Festmachen: Häfen & Ankerplätze

Das blau-gelbe Schild mit der Aufschrift „Gästehamn“ findet man entlang des 90 Seemeilen langen Schärengartens über 70 Mal. Und egal welche Größe, alle Gästehäfen in Schweden sind vorbildlich ausgestattet. Immer gibt es Strom und Wasser am Liegeplatz, dazu Internet und Sanitäranlagen, auch eine Tankstelle ist sehr oft vorhanden, hin und wieder auch eine Sauna. Festgemacht wird entweder an Steganlagen mit Auslegern (eine Art Fingersteg), oft liegen aber auch Muringleinen oder Bojen aus. Ist der Ort zu klein für einen Supermarkt oder ein Restaurant, findet sich fast immer jemand, der zumindest frischen Fisch verkauft.

Nur wenige Häfen wie zum Beispiel Rivö sind für größere Kielyachten zu flach, der Großteil der Anlagen (und übrigens auch der Fahrwasser) ist dagegen auch mit einem Tiefgang von zwei Meter und mehr problemlos zu erreichen. In den bekannten und beliebten Urlaubszentren wie Marstal, Fjällbacka oder Mollösund wird es in der Saison auch richtig voll, manchmal wird dann sogar das Schild „Ledig“ neben der Einfahrt aufgestellt, sprich: der Hafen ist voll!

Neben den postkartenschönen Häfen und den unendlich vielen Ankerplätzen sind die Naturhäfen ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Westschwedischen Schären. Diese geschützten Inselufer und Felsbuchten erlauben es, das Schiff direkt am Felsen festzumachen. Mit Heckanker und zwei an Schärennägeln oder Eisenringen befestigten Vorleinen liegt das Schiff dann sicher, idyllisch und einsam an einer Schäre. Direkt vom Bugkorb aus steigen wir rüber auf die Insel, gehen baden oder spazieren und genießen die Ruhe der Natur. Bleibt die Frage, ob die Naturhäfen auch für den Revierneuling eine Option sind? Die Tatsache, dass hier selbst die Charterschiffe mit Schärennägeln ausgestattet sind, macht klar, dass das Manöver kein Hexenwerk ist.

Planen: die Törnoptionen

Wer das Revier mit dem eigenen Boot ansteuert, muss von der deutschen Ostseeküste bis nach Göteborg etwa 220 Seemeilen einplanen. Von Skagen in Dänemark ist die Revier-Metropole dagegen nur eine Tagesetappe von etwas mehr als 40 Seemeilen entfernt.

Leuchtturm auf der Schäreninsel Marstrand

Wer ein Trailerboot hat, kann auch mit dem Auto anreisen, von Hamburg aus sind es etwa 650 Kilometer. Und für jede Art von Crewwechsel oder Anreise ist auch die tägliche Fährverbindung zwischen Kiel und Göteborg eine Option, eine Art Minikreuzfahrt über Nacht.

Göteborg ist das südliche Zentrum des Reviers und bietet die besten Charter-, Versorgungs- und Anreisemöglichkeiten. Segelt man von Göteborg aus in einer Woche nach Uddevalla und umrundet die beiden riesigen Schäreninseln Tjörn und Orust, gewinnt man auf diesen etwa 130 Seemeilen bereits einen sensationellen Einblick in die Westschwedischen Schären. Wer sich entlang des äußeren Schärengartens auf direktem Weg bis zum nördlichen Ende bei Strömstadt schlängelt, der muss für den Hin- und Rückweg mindestens 220 Seemeilen einrechnen. Doch die Möglichkeiten, den Törn beliebig auszudehnen sind riesig: Schon einzelne Inselgruppen bieten genug Platz und Ziele für einen eigenen Törn und die vielen tief ins Land ragenden Fjorde sind wie der Gullmarn Fjord wieder ein ganz eigenes Revier für sich.

Wissen: Captain's Tipp

Saison: Juni, Juli und August sind mit 21 Grad Lufttemperatur und mindestens 16 Grad Wassertemperatur ganz klar die besten Monate. Von Juli bis Anfang August macht allerdings auch ganz Schweden Sommerurlaub auf dem Wasser.

 

Liegepreise: Die Kosten sind ähnlich wie in Deutschland und Dänemark, für eine zwölf Meter Yacht werden um die 30 Euro kassiert. Wer möchte, kann seinen Liegeplatz schon im Vorfeld über eine Buchungsplattform reservieren. LINK: https://www.dockspot.com/en/docks

 

Göteborg: Der Yachthafen Lilla Bommen gleich neben der Oper liegt mitten im Zentrum und ist voller Leben aber etwas unruhig und teuer. Weitere Häfen in der Stadt bieten ruhigere Alternativen.

 

Mücken: Klar, guter Mückenschutz ist in Schweden immer eine gute Idee. Durch die fehlende Vegetation auf den Schären ist die Plage hier aber oft nicht so schlimm.

 

Feuer: Entgegen der oft veröffentlichten Klischeebilder ist Feuer machen auf einer Schäre verboten.

 

Mittsommerfest: Rund um den längsten Tag im Jahr (21. Juni) wird auch im kleinsten Dorf mit viel Blumen und Musik Mitsommernacht gefeiert.

 

Alkohol: Für den Eigenbedarf kann Alkohol in ausreichenden Mengen mitgebracht werden, vor Ort ist er teuer und nur in lizensierten Geschäften erhältlich. Aber Achtung: In Schweden gilt auf dem Wasser wie im Straßenverkehr mit 0,2 Promille eine strikte Alkoholgrenze.

 

Literatur: Ergänzend zu den auch in deutscher Sprache zahlreich verfügbaren Revierführern bietet der nur in Schweden erhältliche Luftbildatlas „Tre Vecken I Bohuslän“ wertvolle Informationen zu den Naturhäfen.

 

Chartern: Das Preisniveau für Charteryachten liegt in Schweden auch aufgrund der kurzen Saison deutlich über dem in Deutschland. Da Schweden selbst keine Scheinpflicht hat, reicht der Sportbootführerschein See als Nachweis.

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