Richtig ankern
Ob für einen Badestopp oder eine ganze Nacht – Ankern gehört zum Wassersport. In vielen Häfen im Mittelmeer geht es gar nicht ohne. Außerdem ist es sicherheitsrelevant, die entsprechenden Manöver zu beherrschen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie richtig ankern.
In aller Kürze
Eine Bucht in den Kornaten; Inseln vor der kroatischen Küste. Kristallklares Wasser, angenehme Temperaturen und lauschige Restaurantterrassen am Ufer der Ankerbucht ziehen eine Yachtcrew nach der anderen an. Zum Sonnenuntergang liegen um die 15 Boote in Lee eines bewaldeten, etwas eingeschnittenen Hangs. Eine Stunde später brist es plötzlich auf und der Wind nimmt immer weiter zu. Bald reißt sich das erste Schiff los und treibt mit slippendem Anker durch das Feld. Im Laufe der Nacht geht etwa die Hälfte der Yachten auf Drift, genau ist das im Dunkeln nicht zu sehen.
Die Beobachter liegen mittendrin, aber sicher. Warum? Es ist schwer zu sagen, warum die eine Yacht sich losgerissen hat und die andere nicht, aber drei Dinge hat die fragliche Crew beherzigt: Sie hat sich erstens über das Revier informiert und damit gerechnet, dass das ruhige Wetter im Verlauf des Abends in einen starken Landwind umschlagen kann. Sie hat zweitens entsprechend ein Reitgewicht ausgebracht, um trotz der in der vollen Bucht relativ kurzen Kette sicher liegen zu können. Und sie ist drittens schnorcheln gegangen, um sicher zu sein, dass der Anker sich eingegraben hat.
Ihre Nacht war trotzdem unruhig, weil niemand sicher sein konnte, ob nicht ein slippender Anker den eigenen Anker ausreißen würde. Dank einer Ankerpeilung und einer umschichtig organisierten Ankerwache wäre aber auch ein solcher Fall nicht überraschend gekommen. Richtig ankern bedeutet im Kern, sich gut vorzubereiten. Darüber, wie Ankermanöver gut vorbereitet werden, sind ganze Bücher geschrieben worden. Diese können und wollen wir hier nicht wiedergeben. Doch wir können auf unsere Erfahrung und die unserer Kunden zurückgreifen.
Ankertyp und Ankergrund
Slippende Anker gehören nach der Erfahrung der Pantaenius Schadenabteilung zu den häufigsten Ursachen für Schäden, die mit Ankermanövern im Zusammenhang stehen. Mehrere Ursachen sind dafür denkbar. Eine mögliche Ursache ist, dass der Anker sich nicht richtig eingraben konnte. Der Anker muss zum Ankergrund passen. Ein Plattenanker beispielsweise kann sich in Seegras nicht gut eingraben. In Sand dagegen kann er gut halten. Seegras ist ohnehin ein schwieriger Ankergrund, aber wenn überhaupt, dann kann man dort mit einem Bügelanker richtig ankern.
Manche Ankertypen müssen vor dem Gebrauch an den jeweiligen Ankergrund angepasst werden. Beispielsweise, indem der Winkel zwischen Flunken und Schaft verstellt wird. Das ist immer zu beachten.
Anker mit hoher Haltekraft: Welcher Ankertyp für welchen Grund?
- Brittany-Anker: für die meisten Ankergründe gut
- Bruce-Anker: für Sand gut, für Seegras und harten Schlick mäßig
- Bügelanker: für Sand und Schlick gut, für Seegras und Kies mäßig
- CQR-Anker: für Sand und Kies gut, für Seegras mäßig, für harten Schlick zu stumpf
- Danforth-Anker: besonders für harten Schlick gut
Gewicht und Größe des Zweitankers
Es ist ratsam, verschiedene Anker für verschiedene Ankergründe an Bord zu haben. Jeder dieser Anker muss vom Gewicht her das Boot alleine halten können. Tabellen der Hersteller geben Auskunft über die benötigte Größe. Manchmal ist zu lesen, dass ein Zweitanker kleiner oder leichter sein könne als der Hauptanker. Das ist jedoch nicht zu empfehlen.
Ein kleinerer Heckanker, wie er beispielsweise in den Schären eingesetzt wird, um das Heck in Position zu halten, ist damit nicht gemeint. In diesen Fällen sind die Boote mit Landleinen gegen die Windrichtung gesichert. Der Heckanker unterstützt nur.
Ein vollwertiges zweites Ankergeschirr dient nicht nur als Ersatz bei einem Schaden oder Verlust des Hauptankers. Es kann auch auf engen und gut besuchten Ankerplätzen den Schwojkreis begrenzen, indem es in V-Form als zweiter Buganker ausgebracht wird. Ein zweiter Buganker ist auch bei Starkwind eine sinnvolle Sicherheitsmaßnahme. Schließlich kann ein zweites Ankergeschirr in Tidenrevieren mit der Strömung ausgebracht werden, so dass beim Kentern der Tide kein neues Ankermanöver nötig ist. In all diesen Fällen muss der Zweitanker zumindest kurzzeitig das Boot alleine halten können.
Ankerkette langsam fieren
Ein weiterer denkbarer Grund dafür, dass der Anker slippt: die Kette kann den Anker beim Eingraben behindert haben. Das kann zum Beispiel passieren, wenn die Kette unkontrolliert ausrauscht, etwa weil jemand einfach die Bremse an der Ankerwinde gelöst hat. Dann kann es passieren, dass der Anker sich noch nicht richtig gedreht hat, während die Kette schon auf den Flunken zu liegen kommt. Im ungünstigen Fall zieht das Boot den ganzen Kettenhaufen über den Grund, bevor die Flunke sich eingraben konnte.
Stattdessen fährt man den Ankerplatz vor dem Ankermanöver am besten einmal ab und bestimmt den Ankergrund und die Wassertiefe, bevor man das eigentliche Manöver fährt. Dann weiß man, wie viele Meter Kette bis zum Grund benötigt werden. Diese Kettenlänge wird kontrolliert abgefiert, wenn das Boot keine Fahrt mehr macht. Ist der Anker am Grund, fährt das Boot langsam rückwärts, während die Kette kontrolliert mitgefiert wird. So stellt man sicher, dass der Anker sich am Grund frei drehen und eingraben kann.
Welcher Ankergrund ist geeignet?
- Fels: ungeeignet
- Kies/kleine Steine: eingraben hängt von Untergrund ab, Steine können bewegliche Teile blockieren
- Sand: gut geeignet
- Schlamm: wenig geeignet
- Schlick: schwierig, je nach Härte und Ankertyp
- Seegras: eher ungeeignet
- Große Steine: eher ungeeignet, bei Verkanten droht Ankerverlust
- Ton: gut geeignet
Ankermanöver und Ankergeschirr
Die nächste Ursache, die für slippende Anker in Frage kommt: Der Anker ist nicht eingefahren worden. Der Anker sollte immer aktiv mit Unterstützung in den Grund gezogen werden, d.h. eingefahren werden. Zwar kann auch der Winddruck, der auf das Boot wirkt, den Anker eingraben. Aber gerade bei Flaute kann der Eindruck, dass der Anker hält, trügerisch sein. Es kann passieren, dass der Anker oberflächlich hält, aber bei aufkommendem Wind slippt. Wer richtig ankern möchte, sollte sich dagegen wappnen und den Anker einfahren.
Wenn die benötigte Kettenlänge gefiert worden ist, belegt man die Kette und stoppt so das Boot auf. Im Idealfall kommt die Kette langsam steif und der Bug richtet sich in Richtung des Ankers aus. Das ist schon ein gutes Zeichen. Wenn der Bug sich nicht eindreht, ist etwas faul. Zusätzlich sollte man etwas Gas geben und eine Hand an die Kette unterhalb der Bordwand legen. Ein slippender Anker lässt sich durch Vibrationen an der Kette erfühlen. Ist die Kette dagegen steif, hält der Anker. Eine Ankerpeilung macht hier noch keinen Sinn, weil das Boot sich noch bewegt.
Den Anker richtig eingraben
Selbst wer das Ankermanöver unter Segeln vollführt, kann den Anker einfahren. Das Vorsegel sollte rechtzeitig geborgen werden, um Platz auf dem Vordeck zu haben, aber das Großsegel kann stehenbleiben. Zunächst, während des Aufschießers, mit gefierter Schot, aber wenn die Ankerkette belegt ist, kann es back gehalten werden, um Zug auf die Kette zu bringen. Beim leisesten Zweifel daran, ob der Anker hält, ist das Manöver zu wiederholen. Lieber fährt man drei Mal denselben Ankerplatz an, als mitten in der Nacht und vielleicht noch bei Regen zu vertreiben.
Wenn möglich, sollte man kontrollieren, ob der Anker sich eingegraben hat. Wenn das Boot auf Schnorcheltiefe liegt, kann man sich bis zu einer Tiefe von fünf Metern locker an der Kette bis zum Anker hinabziehen. Glück hat, wer in klarem Wasser ankert – dann kann man den Anker mitunter schon von der Wasseroberfläche sehen. Falls man in kühlem Wasser unterwegs ist, bietet es sich an, einen Neoprenanzug mitzuführen. Ein kontrollierter Anker bietet ein sicheres Gefühl. Das gilt besonders, wenn man vorhat, das Boot zwischenzeitlich zu verlassen.
Der Anker richtig an der Kette befestigen
Doch selbst wenn der Anker zunächst hält, kann er später ausbrechen. Schon das Schwojen des Bootes um den Anker herum kann im Extremfall dazu führen, dass der Anker ausbricht. Gerade bei Booten, die besonders zum Schwojen neigen, sollte der Effekt möglichst begrenzt werden. Das kann zum einen mit einem zweiten Anker erfolgen, zum anderen mit einem Reitgewicht, das bis kurz über dem Grund abgefiert wird. Einen ähnlichen Effekt wie das Schwojen können Winddreher oder eine Windbö haben: Der Anker wird plötzlich quer zur Windrichtung belastet.
Das Ankergeschirr kann einen Teil dieses Risikos abmildern. Die Kette sollte möglichst nicht direkt an den Anker geschäkelt werden, weil dann die Bewegungen der Kette direkt auf den Anker übertragen werden. Am Anker bietet sich ein Wirbelschäkel an, mit dem der Anker sich um die Längsachse drehen kann. Daran kann ein geschweifter Kettenschäkel angebracht werden, der dem letzten Kettenglied Bewegungsspielraum verschafft, so dass die Kette sich um den Anker drehen kann, ohne dass der Anker selbst gleich in Bewegung kommt.
Wird der Anker über eine Bugrolle gefahren, können die Schäkel die Handhabung behindern. Dann bietet sich als Alternative ein Ankerwirbel an, der über zwei Gelenke verfügt und gebogen geformt ist, so dass der Anker sich beim Hieven durch die Schwerkraft automatisch in die richtige Richtung dreht. Unter allen Umständen ist beim Schwojen oder bei plötzlichen Windänderungen zu bedenken, dass der Anker nur sicher hält, solange der Zug am Grund waagerecht angreift. Sobald der Zug nach oben wirkt, besteht Gefahr, dass der Anker ausbricht.
Was gehört zum Ankergeschirr?
- Anker: nach Herstellerangaben passend zum Gewicht des voll ausgerüsteten Bootes
- Wirbelschäkel: damit sich der Anker problemlos am Grund drehen kann
- Kettenschäkel: damit das Boot schwojen kann, ohne den Anker selbst zu bewegen
- Ankerwirbel: kann die Schäkel ersetzen, wenn der Anker über eine Bugrolle gezogen wird
- Ankerkette: empfehlenswert, mindestens ein Kettenvorlauf sollte es sein
- Ankerwinde: erleichtert die Manöver, wenn man ausschließlich mit Kette ankert
- Kettenkralle: verhindert zu starkes Einrucken und entlastet die Ankerwinsch
- Ankerball: vorgeschrieben bei Tag
- Ankerlaterne: vorgeschrieben bei Nacht
- Hahnepot (insbesondere auf Katamaranen): verteilt die Last auf beide Rümpfe
Kettenlänge und Ankerboje
Wie viel Ankerkette gesteckt werden muss, damit sie am Ankerschaft waagerecht angreift, wird in der Regel per Faustformel berechnet. In der Literatur finden sich dazu verschiedenste Angaben von der vierfachen Wassertiefe bei Kette bis zur zehnfachen Wassertiefe bei Leine. Diese Faustformeln sind so alt wie umstritten. Sie berücksichtigen alle nicht, dass die Ankerkette durchhängt, also eine Kurve beschreibt und keine Gerade ist. Das berücksichtigt dafür die Formel des Pantaenius-Kunden Matthias Wagner. Sie lautet wie folgt:
L=√Y(Y+2a)
Dabei bezeichnet Y die Ankertiefe und a einen Parameter, der von Boot und Windstärke abhängt und ermittelt werden muss. Es ergibt sich daraus eine Kettenlänge L. Die ausführliche Herleitung findet sich auf Wagners Webseite. Etwas einfacher kann man es sich mit der App Anchor Chain Calculator machen, die Wagner entwickelt hat. Die App erfordert nur noch die Eingabe einiger Boots- und Wetterdaten und wirft dann eine Kettenlänge aus, bei der der Angriffswinkel am Anker Null ist. Bei begrenzter Kettenlänge dagegen zeigt die App den Angriffswinkel und die zu erwartende Last an.
Für einen Überblick über die Länge der ausgebrachten Kette bietet es sich an, die Kette in Abständen zu markieren. Sinnvoll könnte zum Beispiel eine Markierung alle fünf Meter sein. Zuweilen wird die Ankerkette mit Sprühfarbe markiert. Das muss allerdings wegen des Abriebs relativ oft wiederholt werden. Alternativ sind farbige Kunststoffplättchen erhältlich, die in die Kettenglieder gedrückt werden. Diese können allerdings insbesondere bei der Arbeit mit einer Ankerwinde im Laufe der Zeit auch verlorengehen. In jedem Fall ist eine Markierung sinnvoll.
Richtig ankern mit Reitgewicht
Allein auf einem großzügigen Ankerplatz kann man relativ leicht so viel Kette stecken wie nötig. Vorausgesetzt, das Boot hat ausreichend Stauraum, kann das Gewicht vertragen und man führt ausreichend Kette mit. Anders ist es zum Beispiel auf kleinen Booten, die keine langen Ankerketten verstauen können, oder auf engen beziehungsweise vollen Ankerplätzen. In solchen Fällen bietet es sich an, sich mit einem Reitgewicht zu behelfen, um trotz der begrenzten Kettenlänge noch relativ sicher ankern zu können.
Ein Reitgewicht wird auf der Ankerkette oder Ankerleine mithilfe einer zweiten Leine abgefiert bis kurz über den Grund. Es hilft, die Kette auf dem Grund zu halten und den Zugwinkel am Anker zu verringern. Auf dem Markt gibt es fertige Reitgewichte aus Blei mit eingegossenem Draht und Rolle. Aber zur Not lässt sich ein Reitgewicht auch improvisieren. So kann man beispielsweise einen Eimer mit Steinen vorsichtig fieren oder einen zusammengebundenen kleinen Klappdraggen an einem großen Schäkel verwenden. Hauptsache, man bekommt Gewicht nach unten, dass die Kette nicht behindert.
Richtig ankern Punkt für Punkt
- Der Anker passt zum Ankergrund
- Ankerkette kontrolliert fieren
- Anker richtig einfahren
- Im Zweifelsfall das Ankermanöver wiederholen
- Das Wetter beobachten
- Ausreichend Ankerkette stecken
- Im Zweifelsfall ein Reitgewicht einsetzen
Die Ankerboje richtig setzen
Auch bei bester Vorbereitung und einwandfreiem Ankermanöver kann Gefahr drohen: andere Anker können den eigenen Anker ausbrechen. Das kann passieren, wenn benachbarte Ankerliegen auf Drift gehen oder beim Aufholen des Ankers den eigenen Anker an der Kette ausbrechen. Das ist nicht vollständig zu vermeiden, aber mit einer Ankerboje kann man zumindest etwas vorbeugen. Eine Ankerboje am eigenen Anker zeigt die Position an und ermuntert im Idealfall die Nachbarn dazu, ausreichend Abstand zu halten.
Praktischer Nebeneffekt: eine ausreichend feste Leine an der Ankerboje kann auch als Trippleine dienen und beim Bergen des Ankers helfen. Am entgegengesetzten Ende der Kette angeschlagen, ermöglicht eine Trippleine einen anderen Zugwinkel am Anker. Lässt sich der Anker nicht mehr konventionell ausbrechen – etwa, weil er sich etwa verkantet hat – besteht zumindest die Chance, ihn an der Trippleine senkrecht nach oben zu ziehen. Außerdem ist der Anker mit der Trippleine markiert, falls er mal durch einen Taucher geborgen werden muss.
Das richtige Material zum Ankern
Bei der Auswahl des Ankergeschirrs lohnt es sich, auf Qualität zu setzen. Stahl ist nicht gleich Stahl. Auch, wenn Ankerketten und Schäkel auf den ersten Blick im Katalog oder auf der Rolle gleich aussehen: der Teufel liegt im Detail. Bei allen verwendeten Teilen ist auf die Bruchlast zu achten, die in den technischen Daten angegeben sein sollte. Richtlinien finden sich zum Beispiel bei Klassifizierungsgesellschaften und oft direkt in den Katalogen. Im Sprichwort heißt es nicht zufällig, dass die Kette an ihrem schwächsten Glied bricht. Viele Schadenfälle gehen auf Materialermüdung, zum Beispiel bei Ankerwirbeln, zurück. Deswegen sollte das gesamte Geschirr regelmäßig geprüft und von Zeit zu Zeit auch ersetzt werden.
Zum Schluss: Ankern lernt man vor allem beim Ankern. Und wie bei allen Fähigkeiten, die man neu erwirbt, wird auch beim Ankern trotz aller Vorbereitung manchmal etwas schiefgehen. Das ist alleine noch nicht schlimm, sondern Teil des Lernprozesses. Es kommt nur darauf an, die Risiken zu minimieren und vielleicht nicht gerade nachts bei Sturm in Luv einer viel befahrenen Schifffahrtsstraße zu ankern. Es lohnt sich auch, den Erfahrungsaustausch mit anderen Skippern zu suchen. Um sicher zu gehen, finden Sie bei Pantaenius die passende Versicherung für Ihr Boot.